Amnesty Report / Jahresbericht 2023
Auch der Amnesty Report 2023 (Berichtszeitraum: 1. Januar 2023 bis 31. Dezember 2023) zeigt auf, dass indigene Völker weltweit internationale Unterstützung zur Wahrung und Durchsetzung ihrer Rechte benötigen. Im Folgenden finden Sie relevante Ausschnitte aus dem Jahresbericht in alphabetischer Reihenfolge nach Ländern sortiert:
Argentinien
Australien
Diskriminierung von Aborigines und Bewohner*innen der Torres-Strait-Inseln war auch 2023 an der Tagesordnung.
Rechte indigener Gemeinschaften
Am 14. Oktober 2023 stimmten die Australier*innen in einem Referendum gegen eine Verfassungsänderung zur Einrichtung der Interessenvertretung Aboriginal and Torres Strait Islander Voice. Das Gremium hätte die Befugnis erhalten, indigene Bevölkerungsgruppen in Angelegenheiten, die sie betreffen, direkt gegenüber dem Parlament zu vertreten.
Berichten zufolge starben 20 Aborigines und Bewohner*innen der Torres-Strait-Inseln in Gewahrsam.
Die Zahl inhaftierter Kinder aus indigenen Bevölkerungsgruppen sank, sie machten jedoch noch immer mehr als 50 Prozent aller inhaftierten Minderjährigen aus. Trotz Zielvorgaben für eine Verringerung der Inhaftierungsraten von erwachsenen Aborigines und Bewohner*innen der Torres-Strait-Inseln um mindestens 15 Prozent bis 2031 nahmen diese 2023 zu.
Bangladesch
Bolivien
Brasilien
Chile
Demokratische Republik Kongo
Ecuador
Fidschi
Guatemala
Indien
Rechte indigener Gemeinschaften
Sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt
Das ganze Jahr über berichteten die Medien über sexualisierte Gewalt gegen Adivasi-Frauen durch Angehörige der herrschenden Kasten, die häufig ungestraft blieb. Im Mai 2023 wurden in Manipur zwei indigene Kuki-Frauen von Dutzenden Männern, die der Meitei-Gemeinschaft angehörten, nackt durch die Straßen getrieben; eine von ihnen wurde danach vergewaltigt. Erst zwei Monate später, nachdem ein Video des Vorfalls in den Sozialen Medien aufgetaucht war und für öffentliche Empörung gesorgt hatte, wurde Anzeige bei der Polizei erstattet.
Im September 2023 begrapschten zwei angehende Schneider an einer von über 250 Adivasi-Kindern besuchten Schule im Bundesstaat Uttarakhand mehr als 100 Mädchen. Bis zum Jahresende war noch niemand in Verbindung mit der Tat festgenommen worden.
Landrechte
Im Widerspruch zu einem Urteil des Obersten Gerichtshofs aus dem Jahr 1996 verabschiedete das Parlament am 4. August 2023 eine Änderung des Waldschutzgesetzes, durch die private Wälder sowie Waldstücke im Besitz indigener Gemeinschaften von dem Geltungsbereich des ursprünglichen Waldschutzgesetzes aus dem Jahr 1980 ausgenommen werden. Die Änderungen befreiten private Unternehmen von der Verpflichtung, Entwaldung und den Bau von Industrieanlagen von der Regierung genehmigen zu lassen.
Kambodscha
Kanada
Kolumbien
Im Mai 2023 wurde der zwischen der Regierung und der FARC-Splittergruppe Estado Mayor Central (EMC) vereinbarte Waffenstillstand teilweise aufgehoben, nachdem die EMC vier indigene Jugendliche getötet hatte. Im September wurden die Verhandlungen zwischen der Regierung und der EMC wieder aufgenommen. Sie führten zur Vereinbarung eines dreimonatigen Waffenstillstands.
Diskriminierung
Die Interamerikanische Menschenrechtskommission äußerte sich besorgt darüber, dass indigene Gemeinschaften, afrokolumbianische Bevölkerungsgruppen und kleinbäuerliche Gemeinschaften in der Pazifikregion Gewalt ausgesetzt waren.
Rechte indigener Gemeinschaften
Gewalt und bewaffnete Konflikte betrafen indigene Gemeinschaften im ganzen Land. Im September 2023 wurden indigene Gemeinschaften im Departamento Nariño mit Waffengewalt vertrieben. Einige Familien berichteten, dass man sie mit Gewalt daran gehindert habe, ihre Wohnorte zu verlassen.
Die indigene Gemeinschaft der Awá im Süden der Pazifikregion litt weiterhin unter Angriffen bewaffneter Gruppen und forderte die Behörden auf, ihre humanitäre Notlage schneller und wirksamer zu bekämpfen. Das Verfassungsgericht hatte bereits 2009 darauf hingewiesen, dass der Gemeinschaft der Awá aufgrund der kontinuierlichen Angriffe die Ausrottung drohe.
Das Verfassungsgericht erließ ein Urteil, das das Recht der indigenen Gemeinschaften auf vorherige Konsultation bei der Kommunalisierung ihrer Gebiete schützt.
Vertreibung
Afrokolumbianer*innen und indigene Gemeinschaften waren weiterhin unverhältnismäßig stark von Vertreibung betroffen. Von Januar bis November 2023 wurden nach Angaben des UN-Hochkommissariats für Flüchtlinge 163.719 Menschen vertrieben. Die Interamerikanische Menschenrechtskommission verwies auf Zahlen des UN-Amts für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA), wonach 45 Prozent aller Vertriebenen im Jahr 2023 Afrokolumbianer*innen und 32 Prozent Indigene waren.
Im Mai 2023 wurden 300 Familien, insgesamt etwa 1.500 Personen, aufgrund von Kämpfen zwischen den bewaffneten Gruppen ELN und AGC aus der Gemeinde Sipí (Departamento Chocó) vertrieben. Die meisten Vertriebenen waren Afrokolumbianer*innen und Indigene. Im Juli berichteten die Behörden im Departamento Antioquia, in den Gemeinden Segovia und Remedios seien mindestens 53 Familien aufgrund von Kampfhandlungen derselben Konfliktparteien gewaltsam aus ihren Häusern vertrieben worden.
Straflosigkeit
Im Februar 2023 erhob die Sondergerichtsbarkeit für den Frieden (Jurisdicción para la Paz – JEP) Anklage gegen zehn ehemalige Mitglieder der FARC-EP wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Zusammenhang mit Angriffen auf Indigene, Afrokolumbianer*innen und Kleinbäuer*innen in den Departamentos Cauca und Valle del Cauca.
Im Juli 2023 erhob die JEP Anklage gegen zehn ehemalige FARC-EP-Mitglieder wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Zusammenhang mit 349 Entführungen in den Departamentos Tolima, Huila und Quindío. Außerdem wurden 15 ehemalige FARC-EP-Mitglieder wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Departamento Nariño angeklagt. Ihnen wird eine Politik der sozialen und territorialen Kontrolle zur Last gelegt, die sich gegen indigene Gemeinschaften, Afrokolumbianer*innen, Kleinbäuer*innen, die städtische und ländliche Bevölkerung, Frauen und Mädchen, LGBTI+, die Natur sowie angestammte und kollektive Territorien richte.
Mexiko
Namibia
Nicaragua
Papua-Neuguinea
Paraguay
Philippinen
Venezuela
Rechte indigener Gemeinschaften
Illegale Bergbauaktivitäten in der Region Arco Minero del Orinoco im südlichen Bundesstaat Bolívar zogen auch 2023 schwere menschenrechtliche Folgen nach sich und beeinträchtigten insbesondere die Rechte indigener Gemeinschaften auf Selbstbestimmung, eine gesunde Umwelt sowie freie, vorherige und informierte Zustimmung.
Mehr als ein Jahr nach dem Mord an dem indigenen Menschenrechtsverteidiger Virgilio Trujillo Arana, der sich für Landrechte einsetzte und im Juni 2022 erschossen wurde, war noch immer niemand für die Tat zur Rechenschaft gezogen worden. Seine Angehörigen gaben an, von Unbekannten bedroht zu werden.
Im September 2023 berichteten Menschenrechtsverteidiger*innen, dass Militärkräfte in den Yapacana-Nationalpark im Süden des Landes einmarschiert und mit exzessiver Gewalt gegen Personen vorgegangen seien, die dort illegal Bergbau oder Landwirtschaft betrieben. Das Verteidigungsministerium räumte ein, dass dabei zwei Menschen starben und drei verletzt wurden. Laut Angaben des Ministeriums seien zudem 12.000 Personen aus der Gegend vertrieben worden, viele von ihnen Indigene. Zivilgesellschaftliche Organisationen gaben jedoch an, dass bei dem Einsatz mindestens zehn Menschen getötet wurden.